Donnerstag, 20.06.2013 ab 21 Uhr

Nachverdichtung: Eine Spurensicherung in Tutzing
Druck/Film/Foto-Dokumentation
von Julia Reich

Ausstellung im Corleone Kunst Musik Bar, München
Vernissage: Donnerstag, 20. Juni 2013 um 21.00 Uhr
mit „Klangwonne“

Abriß, Neubau, Nachverdichtung: Ein Biochemie-Laborgebäude von Roche, das alte Landhaus der Familie M.,
ein Reichsbahngebäude aus dem 19. Jahrhundert, ein  jahrzehntelang bestehender Friseursalon und
unzählige Bäume weichen einem exquisiten Neubaugebiet – Gentrifizierung und Strukturwandel
im Landkreis mit den höchsten immobilienpreisen Deutschlands. Willkommen in Tutzing am Starnberger See!

NACHVERDICHTUNG bezeichnet im Städtebau das Nutzen freistehender Flächen im Bereich bereits
bestehender Bebauung. NACHVERDICHTUNG bezeichnet hier, dass im Nachhinein – nach dem Abriss,
während der Neubauphase, in einem unumkehrbaren Prozess – noch einmal mit künstlerischen Mitteln
ver-dichtet wird.

Der Ort Tutzing steht exemplarisch für einen Vorgang, der überall stattfindet, ob in Starnberg oder Berlin,
in München oder auf der grünen Wiese. An zentraler Stelle verschwindet und verändert sich ein ganzes Geflecht
aus sozialen, ökonomischen und architektonischen Beziehungen, die das Ortsbild von Tutzing und seine Sozial-
und Wirtschaftsgeschichte prägten und prägen. Die bauliche Nachverdichtung vernichtet und verändert
Bestehendes und prägt ein Gebiet neu.

Julia Reich greift für Tutzing diese Spuren auf. Den täglich fortschreitenden Wandel des Gebiets
in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer Werkstatt hat sie über einen Zeitraum von mittlerweile zwei
Jahren intensiv dokumentiert, das Gelände begangen, aus den abgebrochenen Gebäuden und Häusern Fundstücke
geborgen und Spuren gesichert. Alle Abbruchgebäude wurden seit Sommer 2011 laufend in ihren verschiedenen
Zuständen (in Betrieb – leerstehend – während des Abbruchs und danach) fotografisch und teils auch
filmisch dokumentiert, Prozesse der Zerstörung festgehalten, einzelne Motive als Linolschnitte umgesetzt
(Serie 211). Stümpfe der frisch gefällten Bäume wurden wie vorgefunden als Holzschnitte gedruckt
(Serie AUF BÄUMEN). So werden Entwicklungen in stark verdichteter Form sichtbar:

Eine Nach-Dichtung entsteht, die nicht er-dichtet, also erfunden, sondern dokumentarischer Natur ist.

Linolschnitt Nachverdichtung Julia Reich klein

Das Langzeitprojekt NACHVERDICHTUNG wird weiter fortgesetzt – und auch der Abbruch:
Als nächstes soll im Sommer 2013 das historische Tutzinger Grandhotel „Simson“ abgerissen werden.

In der Ausstellung NACHVERDICHTUNG im Corleone werden Druckgraphiken, Foto- und erstmals auch
Filmprojektionen gezeigt.

Text und Abbildungen © Julia Reich, 2011-2013